Methoden

Zukunftswerkstatt

Mit der Methode »Zukunftswerkstatt« überdenkt die Klient*in eigenständig Probleme und stößt so selbstbestimmte Erneuerungs- oder Veränderungsprozesse an.

Die Methode ermöglicht eine kreative und selbstbestimmte Entwicklung von Hilfeplanzielen.

Die Methode im Überblick

  • Anleitung: Die Moderator*in benötigt Training, wenn sie die Methode mit größeren Gruppen und über mehrere Tage anwendet. Elemente der Zukunftswerkstatt können jedoch auch in Einzelarbeit und Kleingruppen ohne Vorkenntnisse genutzt werden.
  • Moderation: notwendig in Gruppen
  • Setting: Die Zukunftswerkstatt ist eigentlich eine Gruppenmethode, die aber auch im Einzelkontakt genutzt werden kann. Die hier beschriebene Variante bezieht sich auf die Anwendung in Einzelkontakten.
  • Dauer, Zeitaufwand: circa fünf Sitzungen à 30 – 90 Minuten
  • Anwendungsturnus: einmalig oder wiederholt
  • Material: Flipchart, Papiere, Stifte

Anwendungsbereiche und Ziele

  • im Einzelgespräch für eine individuelle und lösungsorientierte Problemanalyse, zum Beispiel bei folgenden Fragen: »Wie kann ich besser in der Nacht schlafen?« oder »Was kann ich machen, wenn ich Selbstverletzungsgedanken habe?«
  • im Einzelgespräch zur Entwicklung von Zielen: »Wie kann ich meine Freizeit gestalten?« oder »Ich möchte selbst über mein ganzes Leben entscheiden«
  • in der Gruppenarbeit im Sozialraum zur Förderung kollaborativer Prozesse, zum Beispiel in einer WG, im Kreis der Familie oder mit dem sozialen Netzwerk einer Person: »Wie können wir unsere WG schöner gestalten?« oder »Ich möchte mehr mit meiner Familie machen, ich weiß aber nicht wie und was; außerdem streiten wir uns immer, und dann werde ich psychotisch und schlage um mich.«

Kurzbeschreibung

Die Zukunftswerkstatt bietet einen strukturierten Rahmen für Klient*innen in schwierigen Lebenssituationen oder mit einer generellen Schwierigkeit, proaktiv ihr Leben zu gestalten. Die Klient*in bringt zunächst individuelle Fragen und Problemfelder zur Sprache. Im Folgenden entwickelt sie neue Perspektiven, Ideen und Lösungen. Zum Schluss definiert sie gemeinsam mit der Mitarbeiter*in Handlungsschritte. So können festgefahrene Strukturen überdacht, aufgebrochen und neugestaltet werden. In der Klient*in wächst nach und nach das Gefühl, wieder »Herr*in« über ihre Probleme zu werden und sie eigenständig und konstruktiv angehen zu können. Wichtig dabei ist auch das Zulassen von Wünschen und Träumen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht realistisch erscheinen, aber die Fantasie beflügeln und motivieren, denn: Der Weg ist das Ziel.

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Die Schritt-für-Schritt-Anleitung bezieht sich auf eine Zukunftswerkstatt in Einzelgesprächen. In der Regel bietet es sich an, die verschiedenen Schritte auf jeweils eigene Termine zu legen, die jeweils zwischen 30 und 90 Minuten dauern, je nach Konzentrationsfähigkeit der Klient*in. Tee oder Kaffee können eine angenehme Atmosphäre erzeugen. Gut ist es, ausreichend Platz zu haben: So können Visualisierungen ausgebreitet oder auf ein Whiteboard geschrieben oder Zettel an eine Pinnwand gepinnt werden.
Analog zur Schritt-für-Schritt-Anleitung werden die Ergebnisse dokumentiert. Hierzu kann eine Vorlage genutzt werden, die unter Materialien › Fragen zu Zukunftswerkstatt zur Verfügung steht.

Schritt 1 – Themenfindung

Zunächst bespricht die Mitarbeiter*in gemeinsam mit der Klient*in die Inhalte der Zukunftswerkstatt: Was ist das Thema oder die Leitfrage? In manchen Fällen unterstützt die Mitarbeiter*in die Klient*in bei der Themenfindung. Das Thema schreiben sie auf ein großes Blatt Papier, damit sie es immer gut im Blick haben. Anschließend besprechen sie den Ablauf der Zukunftswerkstatt und werfen einen kurzen Blick auf die einzelnen Schritte.

Schritt 2 – Problem-Brainstorming

Zusammen mit der Mitarbeiter*in sammelt die Klient*in alles, was nicht gut läuft und was sie belastet. Probleme, Konflikte, Sorgen, Krankheiten, düstere Gedanken, Zweifel und Ängste schreibt sie auf kleine Karteikarten. Auf jede Karte kommt ein Problem. Mithilfe von ein paar Regeln moderiert die Mitarbeiter*in die Gedanken der Klient*in.

Die Mitarbeiter*in unterstützt die Klient*in dabei, sich auf das Thema zu beziehen, wenn diese abschweift. Und sie führt die Klient*in dahin, konkrete Beispiele zu nennen, wenn diese sehr allgemein spricht oder Überbegriffe, Vermutungen und Theorien verwendet.

Die Mitarbeiter*in lässt das Gesagte so stehen, wie es gesagt wird. Sie bewertet nichts und fällt keine Urteile. Sie kann etwas zu dieser Phase beitragen – aber erst, nachdem die Klient*in gesagt hat, was sie sagen wollte. Die Klient*in kann zu den Vorschlägen der Mitarbeiter*in sagen, ob sie zutreffen oder nicht. Treffen sie aus Sicht der Klient*in nicht zu, dann fallen sie unter den Tisch.

Ziel des Problem-Brainstorming ist es vor allem, dass die Klient*in Gefühle abreagieren kann und sich den Kopf frei macht für etwas Neues. Hier sei zum Abgleich auf die Methode Brainstorming verwiesen.

Schritt 3 – Probleme in Wünsche verwandeln

Nun legen die Mitarbeiter*in und die Klient*in die Karteikarten mit der Schrift nach unten und decken eine nach der anderen auf. Auf die Rückseite verwandeln sie das Problem in einen Wunsch. Hier genügt eine spontane, schnelle Idee. Den Wunsch hängen sie an eine Wand oder kleben ihn auf ein großes Blatt Papier. Finden sie ähnliche Probleme, so können sie sie auch nebeneinanderlegen oder -hängen und die Probleme und Wünsche auf diese Weise gruppieren.

Schritt 4 – Traumphase

In diesem Schritt entwickelt die Klient*in Visionen ihrer Zukunft. Je »verrückter«, desto besser, auch wilde und absurde Ideen erhalten Raum. Kritik oder Zweifel gibt es in dieser Phase nicht, Umsetzbarkeit spielt hier keine Rolle. Alles ist möglich. Zunächst wählt sie einen ihrer Wünsche aus, liest sich den Wunsch und das Problem noch einmal genau durch und versucht, den Wunsch genauer zu formulieren. Die Mitarbeiter*in unterstützt sie dabei, Ideen zu entwickeln, wie der Wunsch erreicht werden kann. Wichtig ist hier die Lust zum Wagnis und die Freude am Spiel mit Gedanken. Aus spontanen Einfällen wird ein detailliertes Bild einer erträumten Zukunft entwickelt.

Die Träume werden wieder auf Karten gesammelt. Ein Brainstorming kann dabei helfen oder auch eine Mindmap. Auch Bilder können gezeichnet werden. Die auf verschiedenen Karten gesammelten Ideen werden als Collage zusammengebastelt. So entsteht eine Traumlandschaft voller konkreter Ideen, Wünsche und Ziele, die mit Zeichnungen, Fotos und Bildern aus Magazinen dekoriert werden kann. Auch ein Weg kann gemalt werden, auf dem man verschiedene Stationen benennt. Der Kreativität und Spielfreude sind keine Grenzen gesetzt.

Schritt 5 – Realistische Ziele formulieren

In dieser Phase werden Ideen aus der Traumphase ausgewählt, die realisierbar erscheinen, und auch solche, die zwar nicht realisierbar erscheinen, aber besonders wichtig sind. Schritt für Schritt werden wichtige Ziele benannt, realistische Etappenziele entworfen und auf Karteikarten oder auf ein großes Blatt Papier geschrieben. Wichtig dabei ist, beim Ausgangsthema zu bleiben und dass die Klient*in und die Mitarbeiter*in gemeinsam dem Ziel und dem Weg dorthin zustimmen.

Schritt 6 – Aktionsplan erstellen

Abschließend wird ein Aktionsplan erstellt: An welchen Zielen möchte die Klient*in in welcher Reihenfolge arbeiten? Wie erkennt sie, dass sie ein Ziel erreicht hat? Wann werden die Ergebnisse ausgewertet? Für jedes Ziel wird ein eigener Aktionsplan verwendet.

Schritt 7 – Evaluation

Die Mitarbeiter*in und die Klient*in setzen einen Zeitpunkt zur Evaluation, zum Beispiel ein halbes Jahr nach der Zukunftswerkstatt. Dann schauen sie sich alle Materialien nochmals an: die gesammelten Probleme, die Wünsche, Träume und Lösungsansätze. Sie besprechen, was die Klient*in seitdem erreicht hat und was nicht. Sie legen neue Ziele für die kommenden Monate fest.

Ist ein Ziel erreicht, so ist das ein Grund zum Feiern! Wenn nicht, so ist das auch kein Problem. Die Ziele werden einfach angepasst, sodass sie sich aktuell und weiterhin nützlich anfühlen. Dann können neue oder angepasste Aktionspläne erstellt und ein Termin zu einer weiteren Evaluation vereinbart werden.

Weiterführende Links und Literatur

Robert Jungk, Norbert R. Müllert: Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen Routine und Resignation. Überarb. und erw. Taschenbuchausg. Heyne, München 1989

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