Methoden

Personenzentrierte Kommunikation

Personenzentrierte Kommunikation unterstützt Mitarbeitende, die Klient*in als »Mensch« in den Mittelpunkt zu stellen und eben nicht nur in ihrer Funktion als »Klient*in« zu bewerten.

Die Methode gibt Ansatzpunkte für den Beziehungsaufbau und die Gesprächsführung in formellen und informellen Begegnungen.

Die Methode im Überblick

  • Anleitung: Zu einem bestimmten Grad selbstständig erlernbar. Ein Training oder eine Ausbildung sind jedoch hilfreich.
  • Moderation: keine
  • Setting: Einzelkontakt und Gruppe möglich
  • Dauer, Zeitaufwand: variabel
  • Anwendungsturnus: beliebig
  • Material: keines

Anwendungsbereiche und Ziele

  • in einem kurzen Gespräch auf dem Flur, in dem die Klient*in von einer negativen Begegnung mit einer anderen Klient*in spricht
  • in der Moderation einer WG-Besprechung, vor allem wenn die Bewohner*innen unterschiedliche Vorstellungen haben
  • beim Schlichten eines Streites zwischen zwei Klient*innen
  • in Gesprächen über Ziele und Wünsche der Klient*in
  • im Hilfeplangespräch, in dem es darum geht, die Vorstellungen und Meinungen der Klient*in zu hören
  • in einem Entlastungsgespräch, in dem die Klient*in von traumatischen Erfahrungen oder psychotischem Erleben spricht
  • in einem kurzen Feedback-Gespräch, in dem Mitarbeitende der Klient*in an einem aktuellen Beispiel mitteilen, dass sie eine positive Entwicklung bei ihr beobachten

Kurzbeschreibung

Der Psychologe und Forscher Carl Rogers fand heraus, dass ein Therapieerfolg nur wahrscheinlich ist, wenn der Therapeut »persönliche Echtheit«, »bedingungsfreie Wertschätzung« und »zwischenmenschliche Einfühlung« praktiziert.1 Die Haltungen und Techniken der Personenzentrierten Kommunikation können in jedem formellen und informellen Gesprächsrahmen verwendet werden. Dabei ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden das Erleben und die Gefühle der Klient*in genau und sensibel erfassen und sich möglichst in ihre Welt und ihr Leben hinein versetzen, ohne sich dabei mit ihr zu identifizieren. Die Mitarbeitenden nehmen die Klient*in so an, wie sie ist, bewerten nichts und geben keine Ratschläge. Gleichzeitig kommunizieren sie eigene Wahrnehmungen und Gefühle selektiv und dem Rahmen angemessen, um der Klient*in die für einen vertrauensvollen Beziehungsaufbau notwendige Resonanz zu geben.

Gesprächstechniken

1. Empathisches Zuhören

Bei dieser Technik äußern die Mitarbeitenden keine Meinungen, geben keine Ratschläge, stellen keine Diagnosen, sondern hören nur zu und sind präsent. Empathisches Zuhören ist eine aktive Art des Zuhörens. Dabei geben die Mitarbeitenden vor allem nonverbale Signale: Sie nicken beim Zuhören, geben zustimmende Laute, lassen Pausen zu und schauen ihre Gegenüber wohlwollend an. Hilfreich ist es, dass sie sich beim Zuhören auch auf ihren Atem konzentrieren: ruhig dem Atem folgen, ruhig den Worten des Gegenübers folgen.

2. Die »Sprache« des Gegenübers finden

Mitarbeitende können eine gute Beziehung zur Klient*in herstellen, indem sie sich auf allen Ebenen an ihre Ausdrucksweise und ihrer Grundstimmung anpassen: Wenn die Klient*in viel klagt, so stimmen sie in das Klagen ein, übertreibt sie, so übertreiben auch sie, nutzt sie eine eher technische Sprache, so übernehmen sie auch dies.2

3. Gesprächspausen verstehen

Gesprächspausen können verschiedene Gründe haben. Die Reaktion der Mitarbeitenden darauf ist je nach Zusammenhang eine andere:

  • Die Klient*in denkt nach, reflektiert oder verarbeitet zuvor Gesagtes oder benötigt einfach etwas Zeit. Die Mitarbeitenden halten in dieser Situation das Schweigen aus und vermitteln der Klient*in verbal oder nonverbal die Sicherheit, dass sie Zeit zum Nachdenken hat und nicht gedrängt ist.
  • Die Klient*in ist verwirrt, aus dem Konzept gebracht oder weiß mit einer Äußerung oder Frage der Mitarbeitenden nichts anzufangen: In diesem Fall verbalisieren die Mitarbeitenden ihre Wahrnehmung, dass die Klient*in gerade nicht weiter weiß oder sie vermuten, dass sie sich missverständlich ausgedrückt haben.3

Die Mitarbeitenden können Gesprächspausen auch bewusst einlegen oder anregen. So helfen sie der Klient*in, einen roten Faden im Gespräch zu erkennen und diesem zu folgen. Damit können sie die Klient*in immer wieder zu einem Thema zurückführen und ihr Raum geben, über dieses Thema nachzudenken, ohne sich gleich auf ein neues zu stürzen.4

4. Fragen und gefragt werden

Richtig gestellte Fragen helfen der Klient*in, ihre Situation besser zu verstehen oder Lösungsprozesse anzustoßen. Dabei sollen die Mitarbeitenden auf keinen Fall »ausfragend« oder »verhörend« wirken. Sie lenken die Klient*in mit Fragen in eine neue Richtung. Öffnende, Kraft gebende Fragen fokussieren auf das »Was?« und »Wie?«, manchmal auch »Wo?«, »Warum?« und »Wodurch?«. Diese Fragen unterstützen die Klient*in, sich in sich selbst einzufühlen. Sie lernt, differenzierter hinzuschauen, hinzuhören und zu spüren.5
Wenn die Klient*in eine Frage stellt, so können die Mitarbeitenden je nach Situation unterschiedlich damit umgehen: Sie können die gefragten Informationen geben oder sagen, was sie dazu meinen. Sie können aber auch die Forderung zur Stellungnahme zurückgeben und die Aufmerksamkeit der Klient*in auf ihr eigenes Erleben, auf ihre eigenen Überlegungen und Ressourcen richten. Um dies zu tun, antworten sie nicht auf die Frage, sondern greifen das mit der Frage einhergehende Erleben auf. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der Frageton der Klient*in.6

5. Die Situation ansprechen

Die Mitarbeitenden sprechen Situationen konkret an, um auf das Erleben der Klient*in einzugehen. Das Ansprechen der Situation entlastet die Klient* in einer Situation, in der die Mitarbeitenden sehen, dass sie mit starken Emotionen kämpft oder gerade gar nicht versteht, was in ihr vorgeht. In manchen Situationen kann es auch helfen, diese besser zu verstehen. Das Ansprechen der Situation muss getragen sein von dem Wunsch, die Klient*in zu verstehen und zu akzeptieren. Es geht nicht um ein Bloßstellen oder einen Vorwurf. Spürt die Klient*in dies, so ist eine Voraussetzung geschaffen, die Veränderung möglich werden lässt.7

6. Konkretisierendes Verstehen

Die Mitarbeitenden fordern die Klient*in auf, einen Aspekt genauer zu erklären. Dazu verwenden sie indirekte Formulierungen, in denen sie sich in die Situation der Klientin hinein versetzen. Auch können sie eine direkte Frage stellen und nachhaken, ob die Klientin einen Sachverhalt etwas genauer beschreiben oder ob sie ihnen ein Beispiel nennen könnte.8

7. Paraphrasieren und Rekapitulieren

Die Mitarbeitenden geben das Gehörte oder eine Beobachtung in eigenen Worten wieder oder fassen mehrere Gedankengänge, Äußerungen und Bewertungen der Klient*in zusammen.9 Die Paraphrase oder Rekapitulation können sie auch in Form einer Frage in den Dialog einbringen. Haben sie die Aussage der Klient*in richtig verstanden, werden ihre widerspiegelnden Worte ihnen dies bestätigen. Sollte ihre Wiedergabe nicht ganz stimmen, hat die Klient*in die Möglichkeit, sie richtigzustellen. Ein weiterer Vorteil ihrer Entscheidung, eine Aussage wiederzugeben, liegt darin, dass die Klient*in dadurch Zeit bekommt, über das Gesagte noch einmal nachzudenken. Und sie hat auch Gelegenheit, noch einmal genauer in sich hineinzuhorchen.10

8. Gefühle und Wünsche in Worte fassen

Durch wohlwollendes und empathisches Zuhören können die Mitarbeitenden lernen, die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Klient*innen zu verstehen. Die erspürten Wünsche und Bedürfnisse fassen sie in Worte und besprechen sie mit der Klient*in. Wie beim Benennen von Gefühlen liegen sie in ihrer Vermutung öfter mal nicht richtig. Das ist gar kein Problem. In jedem Fall ist ihre Vermutung eine Gesprächsgrundlage. Nachfolgend kann die Klient*in oft besser beschreiben, was sie tatsächlich braucht.11

9. Wertschätzen

Die Mitarbeitenden vermitteln Wertschätzung, indem sie sich

  • der Klient*in aufmerksam zuwenden,
  • Zeit nehmen,
  • genauer nachfragen, um besser zu verstehen,
  • Blickkontakt halten,
  • die Klient*in beim Namen ansprechen, sie begrüßen und verabschieden.12

Es kann in manchen Situationen im Betreuungsalltag wichtig sein, sich mit der Klient*in zu solidarisieren. Viele Klient*innen hatten nie jemanden, der sich für sie eingesetzt hat. Aus dem Blickwinkel der Personenzentrierung setzen Mitarbeitende sich nicht für die Klient*in ein, weil es ihr Job ist. Sie setzen sich für sie ein, weil sie ihnen als Person wichtig ist, weil sie sie achten und wertschätzen. Für die Klient*in ist dieser Unterschied leicht spürbar. Die Erfahrung, jemandem etwas wert zu sein, ermöglicht der Klient*in eine neue Beziehungserfahrung und hilft, Potenziale zu aktivieren.13

10. Anerkennen und ermutigen

Für viele Klient*innen zieht sich Abwertung wie ein roter Strang durch ihr Leben. Nur viel zu selten haben Eltern, Lehrer*innen, Erzieher*innen und Betreuer*innen bei ihnen auf das geschaut, was sie im Positiven versucht haben. Im personenzentrierten Ansatz ist genau das wichtig. Die Mitarbeitenden benennen und erkennen kleinste Schritte in Richtung positiver Veränderung an. Es ist wichtig, dass sie zu allererst positive Veränderungen erkennen. Viele Menschen schauen gewohnheitsgemäß auf das, was schiefgeht. Was gut läuft, fällt ihnen oft gar nicht so augenscheinlich auf.14

11. Nur das sagen, was man wirklich meint und fühlt

Wenn Mitarbeitende das sagen, was sie wirklich meinen, dann stimmen Gesagtes, Verhalten, Gestik und Mimik überein. Dabei ist es wichtig, dass sie sich auch negativer Emotionen bewusst werden. Negative Emotionen im Kontakt mit einer Klient*in können Ärger, Hoffnungslosigkeit oder Ungeduld sein. Mitarbeitende werten diese Emotionen schnell als »unprofessionell«. Doch es ist wichtig, diese nicht einfach wegzuschieben. Negative Emotionen gehören dazu. Natürlich werden sie in der Regel diese Emotionen nicht der Klient*in gegenüber ausdrücken. Vielmehr können sie im kollegialen Austausch darüber sprechen oder im Rahmen von Supervision oder Fallbesprechungen.15

12. Konfrontieren

Es ist wichtig, schwierige Situationen und problematisches Verhalten zeitnah anzusprechen. Dabei legen die Mitarbeitenden Wert auf eine wertschätzende und einfühlsame Haltung. Konfrontationen und Kritikgespräche vermitteln sie immer so, dass die Klient*in sie als Hilfe und nicht als Vorwurf versteht. Ich-Botschaften ihrerseits helfen dabei sehr. Wichtig ist auch, dass bereits eine Beziehung zwischen den Mitarbeitenden und der Klient*in besteht, wenn sie in eine Konfrontation gehen. In einer Konfrontation können sie auch auf Widersprüche aufmerksam machen, zum Beispiel zwischen verbalem und nonverbalem Verhalten, zwischen Verhaltensweisen, die die Klient*in zeigt, und Zielen, die sie anstrebt, oder auch Widersprüche zwischen Selbst- und Fremdbild.16

13. Unangemessene Verhaltensweisen reflektieren

Durch die Reflexion von »negativen« Verhaltensweisen seitens der Mitarbeitenden können diese besser verstehen, woran es manchmal in der Beziehung zu ihren Klient*innen hakt. Wenn sie eine solche »negative« Verhaltensweise an sich sehen, so nehmen sie das zum Anlass, darüber nachzudenken, wie sie das in Zukunft besser angehen können. Auf gar keinen Fall bewerten sie sich danach oder zermürben sich. »Negative« Verhaltensweisen sind zum Beispiel das Bagatellisieren von Problemen der Klient*in oder das unbewusste Aufdrängen von Lösungsansätzen.

Weiterführende Links und Literatur

Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann, Paderborn 2001

  1. Carl Rogers: Entwicklung der Persönlichkeit. Klett-Cotta, Stuttgart 1973, S. 43 ff.
  2. Matthias Hammer und Irmgard Plößl: Klientenzentrierte Gesprächsführung. In: Irre verständlich. Methodenschätze – wirksame Ansätze für die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen. Psychiatrie Verlag, Köln 2020, S. 23-27
  3. Sabine Weinberger: Klientenzentrierte Gesprächsführung – Lern- und Praxisanleitung für psychosoziale Berufe. Beltz Juventa, Weinheim und Basel 2013, S. 140
  4. Hammer & Plößl, a.a.O., S. 75
  5. Weinberger, a.a.O., S. 107-108
  6. ebd., S. 140
  7. Marlis Pörtner. Ernstnehmen, Zutrauen, Verstehen – Personenzentrierte Haltung im Umgang mit geistig behinderten und pflegebedürftigen Menschen. Klett-Cotta, Stuttgart 2015, S. 80
  8. Weinberger, a.a.O., S. 104
  9. ebd., S. 107
  10. ebd.
  11. ebd., S. 105
  12. Hammer & Plößl, a.a.O. S. 25-26
  13. Weinberger, a.a.O., S. 114
  14. ebd., S. 113
  15. Hammer & Plößl, a.a.O. S. 26
  16. Weinberger, a.a.O., S. 116

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