Methoden

»Grüne« Fragen stellen und beantworten

»Grüne« Fragen sind Fragen, die in einer schwierigen Situation die Aufmerksamkeit auf die Lösung eines Problems lenken.

»Grüne« Fragen können als Technik angewendet werden, aber auch als Grundhaltung, um ein Gespräch mit einer Klient*in in eine positive und konstruktive Richtung zu lenken. Basierend auf der Arbeit des Klinischen Psychologen und Psychotherapeuten William Davies helfen »grüne« Fragen dabei, positive Entwicklungen anzuregen, zu konkretisieren und überhaupt zu erkennen.

Die Methode im Überblick

  • Anleitung: selbstständig erlernbar
  • Moderation: keine
  • Setting: vor allem für den Einzelkontakt relevant
  • Dauer, Zeitaufwand: als Grundhaltung im Gespräch oder als intensive Arbeit zu einem bestimmten Thema
  • Anwendungsturnus: beliebig
  • Material: Stift und Papier

Anwendungsbereiche und Ziele

  • im Hilfeplangespräch bei einer Klient*in, die sich schwer aus problemzentriertem Denken lösen kann
  • beim Besprechen extremer Verhaltensauffälligkeiten, die unlösbar erscheinen
  • in Beratungsgesprächen, die Konflikte oder Krisen beleuchten

Kurzbeschreibung

Leicht fällt unser Blick auf »rote« Situationen und »rotes« Verhalten, also auf das, was schiefläuft. Das hat die Natur so vorgesehen, damit wir Gefahren und Probleme schnell erkennen und alarmiert sind. So passiert es oft, dass wir mehr auf die Probleme als auf die Lösungen sehen und uns gar nicht auffällt, wenn etwas gut läuft.
Auf der Suche nach Entwicklungen für die Zukunft stellen wir oft »rote« Fragen. Eine »rote« Frage richtet ihren Blick vor allem auf ein Problem. Mit dieser Methode übersetzen wir »rote« in »grüne« Fragen. »Grüne« Fragen richten ihre Aufmerksamkeit auf etwas Positives, zum Beispiel auf sozialverträgliches Verhalten oder emotionale Ausgeglichenheit und Zufriedenheit. Wenn wir dann auf eine »grüne« Frage »grüne« Antworten geben, dann finden wir auf intuitive und spielerische Art und Weise eine Vielzahl neuer Handlungsoptionen. Konkrete Beispiele stehen in der Schritt-für-Schritt-Anleitung in Schritt 3.

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Die Betreuer*in schaut gemeinsam mit einer Klient*in auf eine einzelne schwierige Situation. Gibt es mehrere Situationen, die besprochen werden sollen, so nehmen sie sich eine nach der anderen vor.

Schritt 1 – Schwierige Situationen beschreiben und verstehen

Die Betreuer*in versucht, die Situation und die Perspektive der Klient*in so genau wie möglich zu verstehen, und hilft der Klient*in, Worte für die Situation zu finden. Dabei sind folgende Fragen wichtig:

  • Was geschieht genau in der Situation?
  • Was ist vorher geschehen und hat zu der Situation geführt oder führt immer wieder zu der Situation?
  • Was sind die sozialen, gesundheitlichen und materiellen Konsequenzen?
  • Welche Vorteile bringt die »rote« Situation der Klient*in eventuell: Kann sie dadurch Spannung abbauen? Bekommt sie dadurch etwas, das sie sonst nicht bekäme? Kommt sie auf diese Weise aus einer Situation heraus? Bekommt sie dadurch ein Gefühl von Stärke oder Abenteuer?

Schritt 2 – Fragen nach der Lösungssuche stellen

Die Betreuer*in stellt gemeinsam mit der Klient*in Fragen, wie die Situation gelöst werden kann, und sammelt diese auf einem Blatt Papier. An diesem Punkt werden sich die Fragen oft auf das Negative in der Situation richten, zum Beispiel: Wie kann ich aufhören, meine Betreuer*innen in psychotischen Phasen körperlich anzugreifen?

Schritt 3 – »Rote« Fragen in eine »Grüne« Frage übersetzen

»Rote« Fragen richten sich auf eine negative Situation. »Grüne« Fragen lenken den Blick in Richtung konstruktiver Handlungsoption.

  • rot: Wie kann ich aus der Depression herauskommen?
    grün: Wie kann ich das Gute in anderen Menschen sehen? Wie kann ich Dankbarkeit für Momente meines Lebens finden? Wie kann ich Freude am Leben finden?
  • rot: Wie kann ich aufhören, meine Mitbewohner körperlich anzugreifen, wenn diese mich beleidigen?
    grün: Welche Strategien können mir helfen, auf Beleidigungen gelassen zu reagieren?
  • rot: Wie kann ich künftig die emotionalen Qualen psychotischer Phasen vermeiden?
    grün: Welche Skills helfen mir, mich in psychotischen Phasen sicher zu fühlen? Wie kann ich erkennen, dass ich in eine psychotische Phase rutsche?
  • rot: Was sollen wir tun, wenn die Klient*in immer wieder ihre Kleidung zerreißt?
    grün: Wie können wir die Klient*in unterstützen, sich angemessen und situationsgerecht zu kleiden? Wie kann die Klient*in Freude an ihrer Kleidung finden?
  • rot: Wie können wir meinen Mitbewohner dazu bringen, dass er sein Zeug nicht immer und überall rumstehen lässt?
    grün: Wie können wir uns gemeinsam um unsere Wohnung kümmern, sodass wir uns alle wohlfühlen? Wie können wir untereinander unsere Bedürfnisse ausdrücken und gemeinsam Lösungen finden?
  • rot: Wie kann ich aufhören, meine Betreue*innen in psychotischen Phasen körperlich attackieren zu wollen?
    grün: Wie kann ich Spannungen gewaltfrei abbauen? Welchen Betreuer*innen vertraue ich in psychotischen Phasen und kann sie ansprechen, um mich zu entlasten?
  • rot: Wie kann ich meine Armut beenden?
    grün: Wie kann ich mein Leben so gestalten, dass ich glücklich bin mit dem, was ich habe? Wie kann ich mehr Geld verdienen? Wie kann ich Geld sparen, um mir meine größeren Wünsche leisten zu können?
  • rot: Was sollten wir tun, wenn wir die Klient*in beim Stehlen ertappen?
    grün: Wie können wir die Klient*in dazu bringen, ihre Freizeit aufregend zu gestalten, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen?
    Wie kann die Klient*in lernen, mit weniger kostspieligen Dingen glücklich zu sein?

Schritt 4 – Brainstorming »grüner« Strategien

In einem Brainstorming finden die Betreuer*in und die Klient*in nun »grüne« Strategien als Antwort auf eine der »grünen« Fragen.

  • »Grüne« Frage: Wie kann ich Dankbarkeit für Momente meines Lebens finden?
  • »Grüne« Strategien: Ein Dankbarkeitstagebuch, in das ich jeden Tag drei Dinge schreibe, für die ich heute dankbar war. In der WG machen wir einmal in der Woche eine Danke-Runde, in der jede von uns kurz sagt, wofür sie in der letzten Woche dankbar war. Mindestens einmal am Tag bedanke ich bewusst für jemanden, der mir geholfen hat.

Schritt 5 – Beste »grüne« Strategie auswählen und umsetzen

Nun können die Betreuer*in und die Klient*in überlegen, welche der Strategien sie nutzen wollen und wie sie umgesetzt werden kann. Es können auch mehrere Strategien parallel sein, denn meistens gibt es nicht die eine Wunderlösung.

Weiterführende Links und Literatur

  • Davies, William (2000): The RAID Manual. A relentlessly positive approach to working with extreme behaviour. Leicester (UK): APT Press

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